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Gericht: Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt
Beschluss verkündet am 18.02.2009
Aktenzeichen: 4 L 36/08
Rechtsgebiete: LSA-KAG, VwGO


Vorschriften:

LSA-KAG § 5 Abs. 1 S. 2
VwGO § 88
VwGO § 91
1. Wenn ein (endgültiger) Abgabenbescheid einen Bescheid über Abschlagszahlungen ablöst, ist die Einbeziehung des (endgültigen) Abgabenbescheides in das schon anhängige Klageverfahren gegen den Bescheid über Abschlagszahlungen im Wege der Klageänderung grundsätzlich als sachdienlich i.S.d. § 91 Abs. 1 VwGO anzusehen.

2. Auch für den Ausgleich von Kostenunterdeckungen und Kostenüberdeckungen, gem. § 5 Abs. 2b Satz 2 KAG LSA i.d.F. nach Inkrafttreten des Ersten Rechts- und Verwaltungsvereinfachungsgesetzes vom 18. November 2005 gilt, dass es sich dabei um Differenzen zwischen den in einer Gebührenkalkulation vor dem Kalkulationszeitraum kalkulierten und den tatsächlichen Kosten bzw. zwischen kalkulierten und tatsächlichen Leistungsmengen handelt. Das tatsächliche Gebührenaufkommen ist weder bei Überdeckungen noch bei Unterdeckungen zu berücksichtigen.

3. Es bleibt offen, ob nur eine Überschreitung des höchstzulässigen Gebührensatzes von bis zu 3 % unschädlich ist und nicht zur Unwirksamkeit des Gebührensatzes führt (so OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 7. September 2000 - 1 K 14/00 -, zit. nach JURIS; vgl. auch Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rdnr. 260; Rdnr. 731 jeweils m.w.N.) oder ob die Grenze bei 5 % zu ziehen ist (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 24. Oktober 2001 - 2 L 29/00 -, zit. nach JURIS; vgl. auch § 2 Abs. 1 Satz 3 KAG Nds.).

4. Es ist der gebührenerhebenden Körperschaft erlaubt, einen fehlenden Verstoß gegen das Kostenüberschreitungsverbot des § 5 Abs. 1 Satz 2 HS 1 KAG LSA durch eine Nachberechnung nach Abschluss des Kalkulationszeitraumes (Betriebsabrechnung) zu belegen, selbst wenn eine mit Prognosewerten arbeitende Kalkulation vorgenommen worden war. Nicht erlaubt ist es, nur einzelne Bestandteile einer solchen Kalkulation nachträglich zu ersetzen.


Gründe:

Die statthaften Anträge auf Zulassung der Berufung die Klägerin (I.) und des Beklagten (II.) sind unbegründet. Mit der Entscheidung über die Anträge war die im erstinstanzlichen Verfahren unterbliebene Teileinstellung des Verfahrens nachzuholen (III.)

I.

1. Das klägerische Vorbringen begründet von vornherein keine ernstlichen Zweifel i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Soweit die Klägerin vorträgt, das Klagebegehren sei fehlerhaft ausgelegt worden, macht sie allein einen Verstoß gegen § 88 VwGO und damit einen Verfahrensmangel geltend (BVerwG, Urt. v. 15. November 2007 - 2 C 29/06 -, zit. nach JURIS). Der Vortrag wird entsprechend in eine Geltendmachung des Zulassungsgrundes des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO umgedeutet (vgl. VGH Bayern, Beschl. v. 4. August 2008 - 15 ZB 08.390 -, zit. nach JURIS).

2. Ein Verfahrensmangel i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO liegt jedoch ebenfalls nicht vor.

a) Das Verwaltungsgericht ist zu Recht in Anwendung des § 88 VwGO davon ausgegangen, dass sich die nach dem Erlass des (endgültigen) Gebührenbescheides für das Jahr 2006 gem. § 91 VwGO geänderte Anfechtungsklage nicht gegen die Festsetzung einer Grundgebühr richtete.

Bei der Erfassung des Klagebegehrens ist das Gericht nach § 88 VwGO an die Fassung der Anträge nicht gebunden, sondern hat das tatsächliche Rechtsschutzziel zu ermitteln. Insoweit sind die für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätze (§§ 133, 157 BGB) anzuwenden. Maßgebend ist der geäußerte Parteiwille, wie er sich aus der prozessualen Erklärung und sonstigen Umständen ergibt; der Wortlaut der Erklärung tritt hinter deren Sinn und Zweck zurück. Neben dem Klageantrag und der Klagebegründung sind auch die mit der Klage vorgelegten Bescheide für die Ermittlung des Rechtsschutzziels von Bedeutung, zumal wenn sie im Text der Klagebegründung ausdrücklich in Bezug genommen werden. Ergänzend ist die Interessenlage des Klägers zu berücksichtigen, soweit sie sich aus dem Parteivortrag und sonstigen für das Gericht und den Beklagten als Empfänger der Prozesserklärung erkennbaren Umständen ergibt. Je nach den Umständen des jeweiligen Falles kann den Angaben in der Klageschrift oder den beigefügten Unterlagen eine größere Aussagekraft zukommen, wobei neben anderen Gesichtspunkten vor allem die erkennbare Interessenlage des Klägers und der Umstand, ob er anwaltlich vertreten worden ist oder selbst gehandelt hat, die Deutung beeinflussen können (so BVerwG, Beschl. v. 17. Mai 2004 - 9 B 29/04 -, zit. nach JURIS).

Mit der Klage hat die Klägerin zunächst einen Bescheid über Gebührenabschlagszahlungen insoweit angefochten, soweit der mit einem früheren Bescheid aus 2005 festgesetzte Abschlag überschritten worden ist. Im weiteren Verlauf des Klageverfahrens hat sie dann den (endgültigen) Gebührenbescheid und später den dazu ergangenen Widerspruchsbescheid in das Klageverfahren einbezogen und mit dem Hauptantrag die Aufhebung dieser Bescheide begehrt, "...soweit der Gebührensatz mehr als EUR 3,50/m3 beträgt".

Entgegen der klägerischen Auffassung wird mit diesem Klageantrag nach seinem objektiven Erklärungswert allein die Festsetzung einer Verbrauchsgebühr für das Jahr 2006 angegriffen, soweit ein 3,50 €/m3 übersteigender Betrag festgesetzt worden ist. Die Verbrauchsgebühr und die Grundgebühr wurden in der Begründung des (endgültigen) Gebührenbescheides unter Angabe des jeweiligen Gebührensatzes angegeben. Der Begriff Gebührensatz entspricht dem in § 2 Abs. 1 Satz 2 KAG LSA verwendeten Begriff "Satz der Abgabe". Es handelt sich dabei um den Geldbetrag, der auf eine Maßstabseinheit entfällt, sofern sich die durch den Maßstab festgelegte Bezugsgröße in Mengen, Maßen oder Gewichten ausdrücken lässt (vgl. Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 2 Rdnr. 80). Da sich der (spezifizierte) Klageantrag aber ausdrücklich auf einen Betrag je Kubikmeter bezieht, ist damit die Grundgebühr, die - jeweils abhängig von der maximalen Durchflussmenge des Wasserzählers - als Gebührensatz einen Betrag pro Monat festsetzt, von vornherein nicht erfasst. Aus der Formulierung "mehr als" in dem Klageantrag ergibt sich auch nicht, dass sämtliche belastenden Regelungen des Bescheides angegriffen werden sollten, die über die Festsetzung einer Verbrauchsgebühr in Höhe von 3,50 €/m3 hinausgingen. Denn diese Formulierung bezieht sich bei verständiger Würdigung des Begehrens allein auf die Höhe des angegriffenen Gebührensatzes. Durch den Gebrauch der Wendung "werden aufgehoben, soweit der Gebührensatz...", die auf Grund der Bezugnahme auf Kubikmeter zu verstehen ist als "werden aufgehoben, soweit der Gebührensatz der Verbrauchsgebühr..", ist klargestellt, dass allein die Verbrauchsgebühr streitig sein sollte. Sonst wären im Übrigen auch die in dem endgültigen Gebührenbescheid für 2007 festgesetzten Abschlagszahlungen von der Klage erfasst gewesen, was die Klägerin aber gerade nicht vertritt. Sie kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Formulierung sei in Anlehnung an den Tenor früherer Urteile des Verwaltungsgerichts gewählt worden, in dem bei ähnlicher Konstellation die teilweise Aufhebung des Bescheides einschließlich der Grundgebühr erfolgt sei. Denn unabhängig von dem Unterschied in den Formulierungen unterliegt jedes Klagebegehren nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalles einer eigenen Auslegung.

Unter Berücksichtigung des Umstands, dass bei anwaltlich vertretenen Klägern der Formulierung des Klageantrags im Rahmen der Auslegung des Klagebegehrens eine erhöhte Bedeutung zukommt (vgl. VGH Bayern, Beschl. v. 5. November 1998 - 23 C 98.3089 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 26. März 1997 - 23 A 1834/95 - jeweils zit. nach JURIS; Eyermann/Fröhler, VwGO, 12. A., § 88 Rdnr. 10; Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 88 Rdnr. 15; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 8. Mai 1998 - 8 S 444/98 -, VBlBW 1998, 347 f.; Redeker/v. Oertzen, VwGO, 14. A., § 88 Rdnr. 1), lassen sich weiterhin der Klagebegründung und dem sonstigen Vorbringen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass auch die mit dem Bescheid erstmals festgesetzte Grundgebühr angegriffen werden sollte. Insbesondere legt die Klägerin in der gesamten Klagebegründung nicht einmal ansatzweise dar, dass und warum die Festsetzung der Grundgebühr rechtswidrig sein sollte. Zwar erfasste die zunächst erhobene Klage gegen den die Festsetzung aus 2005 übersteigenden Teil der Abschlagszahlungen auch den darin auf die Grundgebühr entfallenden Anteil. In der Begründung für die Klageänderung führt die Klägerin auch aus, sie würde inhaltlich "dieselben Einwendungen" erheben wie gegen die Abschlagsanforderung und verweist auf den bisherigen Vortrag. Dem (bisherigen) Vortrag aber lassen sich hinreichend konkretisierte Einwendungen gegen die Grundgebühr jedenfalls nicht zweifelsfrei entnehmen. Zudem führt sie in dieser Begründung auch ausdrücklich aus, der Beklagte habe unverändert den "Gebührensatz von EUR 4,74 m3 zuzüglich einer Grundgebühr von EUR 15,00/Monat" zugrunde gelegt" (Hervorhebung durch Klägerin) und erklärt, dass "der Streitstoff - die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit des Gebührensatzes -" in allen wesentlichen Punkten derselbe bleibe. Auch diese Unterscheidung, die eine Verknüpfung des von der Klägerin angegriffenen "Gebührensatzes" (allein) mit der Verbrauchsgebühr erkennen lässt, spricht wiederum für die aus dem Klageantrag folgende Auslegung, dass nur die Verbrauchsgebühr teilweise angefochten werden sollte. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Unterschied zu dem Bescheid über die Abschlagszahlungen in dem (endgültigen) Gebührenbescheid erstmalig die Verbrauchsgebühr und die Grundgebühr separat ausgewiesen worden sind. Daher ist auch die Bezugnahme in der Klagebegründung auf das Verfahren 4 A 384/06 kein ausreichender Anhaltspunkt, weil in jenem Verfahren noch allein die Abschlagszahlungen streitgegenständlich waren. Im Übrigen war die Klägerin nach der endgültigen Veranlagung und der damit einhergehenden Erledigung des Bescheides über die Abschlagszahlungen gehalten, im Rahmen der Klageänderung - durch Einbeziehung der endgültigen Festsetzung - den Umfang des (geänderten) Klagebegehrens erneut zu bestimmen. Dass sich das ursprüngliche Klagebegehren (auch) gegen die Grundgebühr richtete, erscheint deshalb bei der Auslegung des neuen Antrags als weniger gewichtig. b) Dem Einwand, es handele sich bei der vom Verwaltungsgericht vorgenommenen Auslegung des Klagebegehrens um eine unzulässige Überraschungsentscheidung unter Verletzung des § 104 VwGO, ist nicht zu folgen. Schon aus dem Schriftsatz des Beklagten aus Juli 2007, in dem ausgeführt wird, mit der vorgenommenen Klageänderung liege bereits eine teilweise Klagerücknahme vor, weil ursprünglich der Vorauszahlungsbescheid in seiner Gesamtheit angegriffen worden sei, ergibt sich, dass der Umfang des Klagebegehrens nicht unstrittig war.

II. Aus den vom Beklagten genannten Gründen bestehen an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung keine ernstlichen Zweifel i.S.d. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

1. Es ist zunächst nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht die mit der Umstellung der Klage vorgenommene Klageänderung als sachdienlich i.S.d. § 91 Abs. 1 Alt. 2 VwGO angesehen hat.

Wenn ein (endgültiger) Abgabenbescheid einen Bescheid über Abschlagszahlungen ablöst, ist die Einbeziehung des (endgültigen) Abgabenbescheides in das schon anhängige Klageverfahren gegen den Bescheid über Abschlagszahlungen im Wege der Klageänderung grundsätzlich als sachdienlich anzusehen. Denn im Regelfall ist dann davon auszugehen, dass der Streitstoff im Wesentlichen derselbe bleibt und dass die Zulassung die endgültige Beilegung des Rechtsstreits fördert und dazu beiträgt, einen sonst zu erwartenden Prozess zu vermeiden. Dass diese Vorgaben an die Sachdienlichkeit einer Klageänderung (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 21. Juli 2004 - 3 M 436/03 -, zit. nach JURIS m.w.N.; Sodan/Ziekow, VwGO, 2. A., § 91 Rdnr. 36) auf Grund besonderer Umstände vorliegend nicht erfüllt waren, ist weder ersichtlich noch vom Beklagten hinreichend vorgetragen.

Soweit der Beklagte unter Hinweis auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 4. Oktober 1976 (- VIII ZR 139/75 -, zit. nach JURIS), geltend macht, dass eine Sachdienlichkeit der Klageänderung bereits dann zu verneinen sei, wenn der Rechtsstreit ohne Berücksichtigung der Klageänderung bereits entscheidungsreif war, ist dem nicht zu folgen. Der Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung ebenfalls auf den Gesichtspunkt der Prozesswirtschaftlichkeit abgestellt und weiter geprüft, ob das Gericht bei Zulassung des neuen Vorbringens zur Beurteilung und Entscheidung eines neuen, bis dahin zwischen den Parteien nicht vorhandenen Streitstoffs genötigt würde. Dabei könne nicht außer acht gelassen werden, ob ohne Berücksichtigung des neuen Vorbringens der Rechtsstreit entscheidungsreif wäre. Die Entscheidungsreife des Rechtsstreits, die in dem Urteil zudem nur als einer von mehreren zu berücksichtigenden Umständen bezeichnet worden ist, ist danach relevant, wenn es um die Einführung eines neuen Streitstoffs geht. Der Bundesgerichtshof hat dementsprechend die Klageänderung einer Widerklage als nicht sachdienlich angesehen, weil ein völlig neuer Anspruch und weitgehend neuer Streitstoff eingeführt worden wäre.

Die Sachdienlichkeit der Klageänderung wird schließlich auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass ein unterschiedlicher Streitgegenstand vorliegt. Denn dies ist gerade Voraussetzung für die Annahme einer Klageänderung i.S.d. § 91 Abs. 1 VwGO und dieser immanent.

2. Soweit sich der Beklagte gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts wendet, der in § 16 Abs. 1 der Satzung über die Erhebung von Beiträgen, Kostenerstattungen für Grundstücksanschlüsse und Benutzungsgebühren des Beklagten vom 20. Oktober 2005 in der Fassung der 1. Änderungssatzung vom 14. Juni 2006 festgesetzte Gebührensatz von 4,74 €/m3 für die Verbrauchsgebühr sei unwirksam, hat er ebenfalls keinen Erfolg.

Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dieser Gebührensatz sei wegen einer unzulässigen Überschreitung des höchstzulässigen Gebührensatzes unwirksam. Demgegenüber macht der Beklagte geltend, zum einen liege die vom Verwaltungsgericht angenommene Überdeckung aus dem vorhergehenden Kalkulationszeitraum 2003 bis 2005 in Höhe von 81.447,40 € nicht vor und zum anderen habe das Gericht von den Kosten für den streitbefangenen Kalkulationszeitraum 2006 bis 2008 nicht einen Rechnungsposten "Kapitalkosten auf Grund des Gerichtsurteils" in Höhe von 94.147,- € in Abzug bringen dürfen. Deshalb ergebe sich nach der anzuwendenden Gebührenkalkulation in der Fassung der 2. Änderung vom April 2007 ein höchstzulässiger Gebührensatz von 4,5966 €/ m3, so dass die Abweichung vom festgesetzten Gebührensatz nur 3 % ausmache, was nach der ständigen Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts zulässig sei.

Zwar ist die Annahme des Verwaltungsgerichts, es liege eine Überdeckung aus dem vorherigen Kalkulationszeitraum vor, schon deshalb bedenklich, weil das Verwaltungsgericht - entsprechend den Kalkulationen des Beklagten - für das Vorliegen einer Überdeckung oder Unterdeckung die tatsächlichen Gebühreneinnahmen aus dem Kalkulationszeitraum 2003 bis 2005 mit den tatsächlichen Kosten aus diesem Kalkulationszeitraum verglichen hat. Wie der erkennende Senat aber schon dargelegt hat (vgl. Urt. v. 27. Juli 2006 - 4 K 253/05 -, zit. nach JURIS m.w.N.), setzt ein Ausgleich von Kostenunterdeckungen i.S.d. § 5 Abs. 2c KAG LSA i.d.F. vor Inkrafttreten des Ersten Rechts- und Verwaltungsvereinfachungsgesetzes vom 18. November 2005 (GVBl. LSA S. 698) - KAG LSA a.F. - und von Kostenüberdeckungen i.S.d. § 5 Abs. 2c KAG LSA a.F. voraus, dass die Abweichung auf Differenzen zwischen Soll- und Ist-Ergebnissen beruht. Es handelt sich dabei um Differenzen zwischen den in einer Gebührenkalkulation vor dem Kalkulationszeitraum kalkulierten und den tatsächlichen Kosten bzw. zwischen kalkulierten und tatsächlichen Leistungsmengen. Das tatsächliche Gebührenaufkommen ist weder bei Überdeckungen noch bei Unterdeckungen zu berücksichtigen. Dies gilt auch für den Ausgleich von Kostenunterdeckungen und Kostenüberdeckungen, soweit § 5 Abs. 2b Satz 2 KAG LSA i.d.F. nach Inkrafttreten des Ersten Rechts- und Verwaltungsvereinfachungsgesetzes vom 18. November 2005 Anwendung findet. Allerdings hat der Beklagte den fehlerhaften Ansatz des Verwaltungsgerichts in seiner Antragsbegründung weiterverfolgt und gerade nicht geltend gemacht, dass auf Grund eines Vergleiches der Soll- und Ist-Kosten keine Überdeckung vorlag.

Es muss jedoch nicht entschieden werden, ob die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass eine Kostenüberdeckung vorliege, durch diesen Vortrag des Beklagten hinreichend erschüttert worden ist. Selbst wenn man davon ausgeht, hat sich der Beklagte jedenfalls gegen die gleichzeitige Annahme des Verwaltungsgerichts, es liege auch keine Unterdeckung aus dem vorhergehenden Kalkulationszeitraum vor, nicht gewandt und sie sogar - mit Hinweis auf die Gesamtkosten von 2.119.832,- € - zur Grundlage seiner vorgelegten Berechnung gemacht. Soweit er weiterhin vorträgt, dass das Verwaltungsgericht von den Kosten für den Kalkulationszeitraum 2006 bis 2008 einen Rechnungsposten "Kapitalkosten auf Grund des Gerichtsurteils" in Höhe von 94.147,- € nicht in Abzug habe bringen dürfen, weil es sich dabei um zulässige Rückstellungen für zwischen dem Beklagten und der Stadt Z. gerichtlich streitbefangene Kapitalvorhaltekosten handele, verkennt er, dass das Verwaltungsgericht diese Berücksichtigung von Rückstellungen bei der Kostenermittlung nicht beanstandet hat. Denn es ist in seinem Urteil hierzu der Gebührenkalkulation des Beklagten in der Fassung der 2. Änderung vom April 2007 ohne Abstriche gefolgt. Darin wurde nämlich den Kosten für den Kalkulationszeitraum 2006 bis 2008 ein Posten "Kapitalkosten für KA" Z. in Höhe von 357.557,- hinzugefügt und ein "Abzug berücksichtigter Kapitalkosten aufgrund des Gerichtsurteils" in Höhe von 94.147,38 € vorgenommen. Dafür, dass über die bereits eingestellten 357.557,- € hinaus weitere 94.147,38 € zu berücksichtigen waren, die in der vom Beklagten selbst für richtig gehaltenen Nachkalkulation gerade als Korrektur der Rückstellungsbeträge abgezogen worden waren, ist der Antragsbegründung indes nichts zu entnehmen. Daher geht der Einwand des Beklagten ins Leere.

Zieht man aber von den - auch vom Beklagten in seiner Antragsbegründung zugrunde gelegten - Kosten für den Kalkulationszeitraum 2006 bis 2008 in Höhe von 2.119.832,-€ (ohne die Überdeckung) den Betrag von 94.147,38 € noch ab, ergibt sich ein höchstzulässiger Gebührensatz von 4,32 €/m3. Die Überschreitung gegenüber dem festgesetzten Gebührensatz beträgt 9,72 % und führt zu einer Verletzung des § 5 Abs. 1 Satz 2 HS 1 KAG LSA mit der Folge, dass der Gebührensatz unwirksam ist. Dabei kann offen bleiben, ob nur eine Überschreitung von bis zu 3 % unschädlich ist (so OVG Sachsen-Anhalt, Urt. v. 7. September 2000 - 1 K 14/00 -, zit. nach JURIS; vgl. auch Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rdnr. 260; Rdnr. 731 jeweils m.w.N.) oder die Grenze bei 5 % zu ziehen ist (vgl. OVG Schleswig-Holstein, Urt. v. 24. Oktober 2001 - 2 L 29/00 -, zit. nach JURIS; vgl. auch § 2 Abs. 1 Satz 3 KAG Nds.). Soweit der Beklagte darauf verweist, andere Gerichte würden eine Abweichung von bis zu 12 % tolerieren (vgl. dazu grundsätzlich BVerwG, Urt. v. 17. April 2002 - 9 CN 1.01. -, zit. nach JURIS), ist dem nicht zu folgen. Denn die Hinnahme einer Überschreitung des nach § 5 Abs. 1 Satz 2 HS 1 KAG LSA höchstzulässigen Gebührensatzes bis zu einer sog. "Bagatellgrenze" rechtfertigt sich allein aus Gründen der Praktikabilität (vgl. dazu Driehaus, Kommunalabgabenrecht, § 6 Rdnr. 263). Daher stellt allenfalls eine geringfügige Überschreitung des höchstzulässigen Gebührensatzes keine Verletzung des § 5 Abs. 1 Satz 2 HS 1 KAG LSA dar.

Offen bleiben kann danach ebenfalls, ob nicht schon nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten eine unzulässige Überschreitung des höchstzulässigen Gebührensatzes vorliegt. Geht man davon aus, dass grundsätzlich nur eine Überschreitung von bis zu 3 % unschädlich ist, wäre diese Grenze nicht eingehalten, weil die Überschreitung nach der Darlegung des Beklagten 3,12 % beträgt.

Soweit der Beklagte in dem Parallelverfahren - 4 L 36/08 - mit Schriftsatz vom 3. Februar 2009 darauf verweist, es sei mit der Stadt Z. ein Einleitvertrag geschlossen worden, der auch die rückständigen Forderungen regele, und im Rahmen der Gebührenkalkulation für den Zeitraum 2009 bis 2011 seien bei dem Zeitraum 2006 bis 2008 Kapitalvorhaltekosten in Höhe von 500.000,- € eingestellt worden, hat dies kein anderes Ergebnis zur Folge. Es ist schon sehr fraglich, ob dieser Betrag, der nach dem Einleitvertrag alle Forderungen der Stadt aus der Vergangenheit abgelten soll, nur auf den Kalkulationszeitraum 2006 bis 2008 verteilt werden darf. Denn die klageweise geltend gemachten Ansprüche der Stadt reichten nach eigenem Vorbringen des Beklagten in der Antragsbegründung zurück bis in das Jahr 1998. Jedenfalls könnte der Betrag auf Grund des Ablaufs des streitbefangenen Kalkulationszeitraums nur im Rahmen einer Nachberechnung unter Verwendung der sog. "harten Zahlen" Berücksichtigung finden. Es ist der gebührenerhebenden Körperschaft erlaubt, einen fehlenden Verstoß gegen das Kostenüberschreitungsverbot durch eine Nachberechnung nach Abschluss des Kalkulationszeitraumes (Betriebsabrechnung) zu belegen, selbst wenn eine mit Prognosewerten arbeitende Kalkulation vorgenommen worden war. Nicht erlaubt ist es, nur einzelne Bestandteile einer solchen Kalkulation nachträglich zu ersetzen. Unabhängig davon, dass eine solche Nachberechnung wohl innerhalb der Antragsbegründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO vorzulegen ist (vgl. grundsätzlich BVerwG, Beschlüsse v. 15. Dezember 2003 - 7 AV 2.03 - und v. 11. November 2002 - 7 AV 3.02 -, jeweils zit. nach JURIS), handelt es sich hier nicht um eine ordnungsgemäße Nachberechnung für den streitbefangenen Kalkulationszeitraum. Denn es fehlt schon an der Darstellung der relevanten Abwassermengen.

III. An die rechtliche Bewertung des Verwaltungsgerichts, die mit der Klageänderung nach § 91 Abs. 1 VwGO vorgenommene Begrenzung des Klagegegenstandes auf die Verbrauchsgebühr, soweit sie 3,50 €/m3 übersteigt, sei eine teilweise Klagerücknahme nach § 92 Abs. 1 Satz 1 VwGO, ist das Oberverwaltungsgericht gebunden. Es ist daher nicht zu entscheiden, ob bei einer solchen Begrenzung im Rahmen der Umstellung der Anfechtungsklage von einem Bescheid über Abschläge zu dem (endgültigen) Gebührenbescheid allein eine Klageänderung gem. § 91 Abs. 1 VwGO vorliegt, ohne dass Raum ist für eine Klagerücknahme (vgl. auch VGH Bayern, Urt. v. 25. Oktober 1990 - 20 B 87.03 406 -, NVwZ-RR 1991, 277). Jedoch war die unterlassene Teileinstellung des Verfahrens durch das Oberverwaltungsgericht nachzuholen (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 92 Rdnr. 76 m.w.N.).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2, 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 52 Abs. 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1 VwGO, 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Ende der Entscheidung

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